Von Basavilbaso nach Romang



Mittwoch, 20.02.2012
Am Morgen hängt der Himmel noch immer voller grauer Wolken, aber es regnet nicht. Wir sind hoffnungsvoll, frühstücken und packen zusammen. Als es endlich losgeht, fängt es an, von oben wieder nass zu werden. Trotzdem verlassen wir Basavilbaso gen Westen. Der Regen wird immer heftiger und das Fahren auf der recht verkehrsreichen Strasse ist nicht wirklich ein Vergnügen. Zum Pick-nick machen wir einen kurzen Stopp in einer Bushaltestelle. Allerdings wurde auch dieses Häuschen schon mit einem Pissoir verwechselt, so dass bei uns nicht wirklich Appetit  aufkommt, bzw. dieser schnell wieder vergeht. Was soll`s, schnell geht es weiter und so rollen wir heute fast 100 km bis in das Städtchen Nogoyà. Dort finden wir auf dem Gratis-Campingplatz in der Nähe des Flusses einen Platz zum Zelten.


Papageien-Burg

Donnerstag, 21.02.2013
Das Wetter verspricht heute besser zu werden und hält das Versprechen auch. Mit recht viel Sonnenschein, der uns mit der hohen Luftfeuchtigkeit schnell wieder zum Schwitzen bringt, radeln wir weiter auf der RP12 durch eine wellige Landschaft. An uns ziehen endlose Soja- und Maisfelder vorbei. Auch sehen wir sehr viele Hühner-Batterien zur Eier-Produktion. Statt der grossen Vogelspinnen, die sich zum Glück bedeckt halten, wechseln auffällig viele wunderschöne Nashorn-Käfer die Strasse oder krabbeln im Gras neben der Strasse. An den Stromleitungsmasten finden die vielen kleinen Papageien  gefallen und bauen dort grosse Wohnburgen. Ansonsten hängen viele solcher Nester auch in den Bäumen. In Crespo will uns der Verantwortliche des Erholungsparks dort nicht campen lassen, da campen da nicht erlaubt ist. Wir sollen doch bei der Stadtverwaltung um Erlaubnis fragen und auf einem Papier schriftlich bewilligen lassen. Na, das sind ja ganz neue Sitten in Argentinien. Und vor allem ist abends um 18.00 Uhr längst kein Mensch mehr in der Stadtverwaltung. Also ziehen wir ein Stück weiter und schlagen unser Zelt  auf einem Rasenstück im Industriegebiet auf. Schliesslich kann man in Argentinien erfahrungsgemäss überall campen. Und ein Wasserhahn ist auch gleich in der Nähe, der unsere Wasserversorgung sicherstellt. Nur WC‘s befinden sich keine in Reichweite……
Nashornkäfer
Freitag, 22.02.2013
Bei strahlendem Sonnenschein und Hitze fahren wir die noch verbleibenden ca. 45 km bis in die Stadt Paranà. Campingplätze gibt es nur weit ausserhalb vom Zentrum. Wir entscheiden uns für den Camping Municipal „Toma Vieja“, der hoch über dem Rio Paranà liegt. Von dort geniesst man einen schönen Blick über den sehr breiten Fluss und seine Inseln. Christian leidet wieder unter starken Schmerzen im rechten Knie und möchte noch ausruhen und die, sich in den Flaschenbäumen des Campings tummelnden Kolibris beobachten. Katja erledigt noch das Einkaufen von Esswaren im nicht sehr nahen Laden, aber es findet sich zum Glück ein netter Moped-Chauffeur, der sie mitnimmt.

Rio Paraná
Samstag, 23.02.2012
Christian bleibt heute auf dem Campingplatz, um sein Knie zu schonen und erledigt diverse Näharbeiten. Katja fährt mit dem Fahrrad in die Stadt, um herauszufinden, wie wir als Fahrradfahrer am besten den 3 km langen Tunnel zur anderen Flussseite queren können.  Es gibt keine Brücke, und die Autofähren fahren wegen des niedrigen Wasserstandes nicht. Nebst ausführlicher Stadtbesichtigung und 30 Fahrradkilometern bleibt die Info dürftig. Keiner kann wirklich Auskunft geben. Der Mann von der Touri-Info rät uns, einfach zum Tunnel zu fahren und zu schauen, was passiert….

Plaza Paraná
Sonntag, 24.02.2012
….das machen wir schliesslich auch so, denn irgendwie geht es immer weiter. Und so ist es auch. Zuerst denken wir, mit Autostopp weiterkommen zu können und versuchen es bei der Polizeikontrolle vor dem Tunnel. Nach kurzer Zeit rät uns ein Polizist, bei der Zahlstelle vor dem Loch nachzufragen. Dort können wir nachlesen, dass wir 2 Stunden zu spät dran sind. Der Tunnel war am Morgen während einer Stunde für ein Radrennen gesperrt gewesen….. man stelle sich 2 weitere Teilnehmer – mit Tourenausrüstung- vor…….. Unkompliziert wird beim Tunnelportal für uns ein kleiner Transporter der Tunnel-Gesellschaft organisiert. Wir dürfen aufladen und werden gratis durch den Tunnel chauffiert. So schnell und problemlos kann es gehen. Auf der anderen Tunnelseite geht es erst einmal ein Stück entlang der Autobahn in Richtung Santa Fe, bevor wir auf die RP1 gen Norden abbiegen. Es ist ziemlich bewölkt, aber schwülheiss. Wir gönnen uns deshalb im Ort Recreo mal wieder ein Eis bei Grido. Die Strasse geht vorerst durch recht dicht besiedeltes Gebiet bis Santa Rosa. Dort zelten wir auf dem Camping Municipal, an einem Arm des Rio Parana, der sich hier zu einem riesigen System aus Inseln und Wasserläufen verzweigt. Der Verantwortliche des Campings findet an unserer Art zu reisen Gefallen und erlässt uns die Campinggebühr. Von hier aus senden wir eine SMS an Fernando, dass wir in vier Tagen in Romang sein werden. Mit Fernando hatten wir bereits schon in City Bell Kontakt per Telefon aufgenommen und er weiss, dass wir Ende Februar/Anfang März bei ihm sein werden.

Durch den Tunnel war Christian auch noch hinten drin
Montag, 25.02.2013
Jetzt durchradeln wir Argentiniens Reiskammer. Links und rechts erstrecken sich riesige Reisfelder. Wegen der vielen Wassergräben in den Reisfeldern und weil gerade Reisernte ist, herrscht eine unglaubliche Mückenplage. Selbst beim Fahrradfahren lechzen diese kleinen Biester nach unserem Blut. Ohne Mückenschutzmittel ist es nicht auszuhalten, erst recht nicht bei einem Stopp, da werden wir regelrecht ausgesaugt. – Wir sehen zum ersten Mal in unserem Leben Spezialmähdrescher für Reis. Da es auf den Äckern sehr morastig ist, besitzen sie Raupen, anstatt grosser Vorderräder, um nicht abzusaufen. Dennoch bleiben oft metertiefe Rinnen auf dem Feld zurück. -  In Saladero M.Cabal finden wir wieder auf dem Camping Municipal einen Platz für’s Nachtlager. Auch dieser Camping liegt wunderschön an einem Fluss. Carlos, der Verantwortliche des Platzes, ist sehr interessiert und fragt uns Löcher in den Bauch. Wir geben Auskunft  über unsere Reiseroute, das Zelt, die Fahrräder, den Kocher und und und ….. Dazu trinken wir ein „Schneider“ Bier. Otto Schneider, ein eingewanderter Deutscher, hat seinerzeit in der Stadt Santa Fe eine Brauerei aufgebaut mit dem Ziel, die deutsche Brau-Tradition in Argentinien einzuführen.

Dienstag, 26.02.2013
Immer noch geht es durch Reisfelder und die damit verbundene Mückenplage. In dem kleinen Dorf Colonia Teresa entdecken wir im Entwässerungsgraben der Strasse zu unserer Verwunderung recht grosse Fische (30…40cm lang). Das Wasser ist über weite Strecken so wenig tief, dass die obere Hälfte der Fische aus dem Wasser schaut. Bei den Grillplätzen am selben Bach setzen wir uns erst mal in den Schatten und wollen später unser Zelt da aufstellen. Schon nach recht kurzer Zeit belagern uns drei nicht mehr ganz nüchterne Bauarbeiter, laden uns penetrant zum Mate-Trinken ein, lassen sich dann doch abwimmeln, mit dem Versprechen Ihrerseits, dass sie wiederkommen…. Wir nutzen die Gelegenheit und verkrümeln uns. Beim Wasserauffüllen erhalten wir den Tipp, dass sich nur wenig ausserhalb des Ortes eine Gedenkstätte für Gauchito Gil befindet und man da sicher zelten kann. Gauchito Gil war der Robin Hood Argentiniens und ist im Glauben vieler Argentinier stark verankert. Deshalb sind solche Gedenkstätten recht häufig und werden von um Schutz und Hilfe Bittenden gut frequentiert. Die Gedenkstätten machen mit roten Tüchern, Fahnen und Wimpeln auf sich aufmerksam und bieten oft auch ein wenig Infrastruktur, wie in diesem Fall, eine Handwasserpumpe, die Trinkwasser fördert und ein, wahrscheinlich seit Jahren, im Bau befindliches WC, sowie ein Tischlein und improvisierte Hocker.

Als Materiallager für die Bauarbeiter

als Camping und als Gedenkstätte
Mittwoch, 27.02.2013
Wir wollen uns Zeit nehmen und beschliessen, heute nur die 50 km bis Alejandra zu fahren, um von dort aus nochmals Kontakt mit Fernando aufnehmen zu können, weil wir von ihm noch keine Antwort auf unsere SMS erhalten haben. Auch hier liegt der Camping sehr schön an einem Fluss und es werden uns die Gebühren erlassen. Wiedermal sagen wir: „Vielen Dank“. Auf der Plaza des kleinen Dorfes warten wir ca. 40 Minuten vor der Eisbude… „Die Besitzerin ist nur schnell mit ihrer Tochter zur Schule gegangen“. „Ja, ja, kein Problem wir haben Zeit“. Wir versuchen, Fernando anzurufen, was misslingt und senden deshalb wieder eine SMS: „Morgen kommen wir in Romang an“.

Sicht vom Camping in Alejandra
Donnerstag, 28.02.2013
Bis dato noch keine Nachricht von Fernando. Wir fahren trotzdem hin und finden dank dem GPS das Zuhause von Fernando sehr schnell. Wir klingeln; uns öffnet eine Dame im Nachthemd, denn es ist gerade Siesta. Sie sagt: „Richtig, Fernando wohnt hier nebenan, ist jedoch im Moment in Formosa und ich weiss nicht, wann er wiederkommt. Es könne sein, dass die Lehrerin, Valeria, mehr wisse.“ Noch bevor wir zum Campingplatz weiterfahren taucht Valeria, Fernandos Partnerin, auf und begrüsst uns herzlich. Sie wurde von Fernando über unsere Ankunft informiert. Sie habe deshalb einen Bekannten gebeten, der am Dorfeingang in einer Pneu-Werkstatt arbeitet, ihr Bescheid zu sagen, wenn zwei Radfahrer mit Gepäck vorbeifahren. Wir erhalten ganz selbstverständlich die Schlüssel zu Fernandos Wohnung. „Macht es euch bequem und organisiert euch in eurem neuen Zuhause. Ich komme später wieder vorbei“. Später telefonieren Fernando und Christian miteinander. Die  von Fernando gesendeten Antworten haben uns offenbar nicht erreicht. Er habe in Formosa sehr viel Arbeit, versuche aber sich so zu organisieren, dass er in ca. einer Woche nach Romang kommen kann. – Am Abend werden wir von einem Freund von Valeria und Fernando zu einem Asado eingeladen. Ramiro ist Schreiner und hat daher immer genügend Brennholz zur Verfügung.

Ramiro und Christian am Grill
Christian hat gut zugeschaut, es schmeckt vorzüglich
Vom 29.2.2013……24.3.2013 sind wir in Romang:
Was uns beschäftigt:
Beim einzigen Geldautomaten im Dorf, der Geldautomatenfirma „Link“ funktionieren nun auch Katja’s Karten nicht mehr. Die Bank in der Schweiz kann keinen Fehler erkennen; es ist jedoch bekannt, dass es in Südamerika immer wieder zu Problemen kommt. Deshalb geht Katja hier zur Bank, in der der Automat steht, um das Problem evtl. klären zu können. Nach nochmaligem Ausprobieren der Karten am Automaten mit Hilfe des Bankangestellten und einem Telefonat bei der Hauptstelle in Rosario, erhält Katja die Auskunft, dass „Link“ in letzter Zeit wieder einiges umgestellt hat und viele Karten von Ausländern nicht mehr lesen kann. Komischerweise können aber Kreditkarten, wo die Spesen viel höher sind, problemlos gelesen werden. Zum Glück hatten wir in Uruguay US-Dollars bezogen und können diese hier im Dorf zu einem für beide Seiten guten Kurs, beim Chinesen und bei einem Freund von Fernando umtauschen. – Das von uns erwartete Päckchen aus der Schweiz trifft bereits in der ersten Woche unseres Aufenthaltes in Romang ein.  Von nun an ist Christian wieder stolzer Besitzer einer komfortablen Iso-Matte mit Daunen. Ebenso haben wir die von uns heissbegehrten grossen Reissverschlusszipper fürs Zelt erhalten, um die Abgenutzten austauschen zu können. Hiermit bedanken wir uns herzlichst bei Christians Mutter für ihren Einsatz, uns diese Sachen zu besorgen und zu senden. Des Weiteren kaufen wir zwei Stücke 1.5mx6m wasserdichten Stoff, der, wie sich später herausstellt, überhaupt nicht wasserdicht ist. Daraus fertigen wir, mit Hilfe einer Schneiderei, einen zweiten Schutzfussboden für unser Zelt, weil der alte von Ameisen und Grillen teilweise verspeist wurde.  -  Wir waschen Wäsche, gehen zum Friseur, erledigen Näharbeiten an unseren Kleidern, machen Besorgungen, sortieren am Laptop Fotos und schreiben E-Mails und am Blog. - Ebenso wagen wir einen Besuch beim Zahnarzt zur Kontrolluntersuchung und Zahnhygiene. Zuerst vereinbaren wir einen Termin bei einer Zahnärztin, die uns von einer hier lebenden Schweizerin empfohlen wird. Die Kontrolluntersuchung geht sehr schnell und erscheint uns sehr oberflächlich. Umso erstaunter vernehmen wir das Ergebnis: Sie diagnostiziert bei Katja 7 x Karies und sehr viel Zahnstein und bei Christian 5 x Karies und etwas weniger Zahnstein. Falls wir alles flicken/reinigen lassen wollten, würde uns das satte 4000 Pesos (ca. 620 Euronen) kosten. Das Stirnrunzeln unsererseits könnte grösser nicht sein, denn wir hatten beide seit Jahren keine derartigen Probleme. Wir vermuten einen dringenden Bedarf an Dinero bei dieser Frau. Deshalb vereinbaren wir einen Termin bei Zahnarzt Doktor Schlatter, der uns von Valeria empfohlen wird. Der nimmt es viel genauer und stellt bei Christian gar keine Karies fest und bei Katja nur an einer Stelle, die aber bei guter Zahnpflege und wenig Zucker kaum Handlungsbedarf darstellt. Zahnstein muss er bei uns beiden nur sehr wenig entfernen. Zu guter Letzt will er von uns gar kein Geld haben, „regalo“ = Geschenk. - Der argentinische Tagesrhythmus macht sich in der zweiten Woche bei Christian bemerkbar; Herpes Zoster (Gürtelrose) bricht aus. Neben viel zu wenig Schlaf können auch zu viel Sonneneinstrahlung, grosse Anstrengung und Stress Ursachen für diese Immunschwäche sein. Christian leidet unter Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Hautveränderungen mit Bläschenbildung am Hals und am Kopf, sowie unter starken, blitzartigen Kopfschmerzen. Weil die Privatärztin einen vollen Terminplan hat, gehen wir zum hiesigen Hospital, um einen Arzt zu konsultieren. Dr. Wingeyer verschreibt das gegen Herpes Zoster wirkende Medikament Aciclovir; jedoch, wie es uns nach verschiedenen Recherchen scheint, in viel zu niedriger Dosis. Deshalb gehen wir am Folgetag nochmals zum Hospital, jedoch scheint der heute diensthabende Arzt weder lesen zu können, noch scheint er zu wissen, was Herpes Zoster ist. Er dreht den von uns mitgebrachten Beipackzettel des Aciclovir x mal in seinen Händen. „Ich werde nichts gegen meinen Kollegen sagen.“ „Wollen Sie uns helfen oder nicht?“ Er will nicht! Wir entschuldigen uns, seine Ruhe gestört zu haben und ziehen von dannen. Nachdem wir im Internet gelesen haben, wie gefährlich diese Krankheit sein kann, können wir die Sache aber nicht auf sich beruhen lassen. Ein Freund von Fernando und Valeria fährt uns mit seinem Auto ins 40 km entfernte Reconquista, um dort im Hospital den diensthabenden Arzt zu konsultieren. Er verschreibt die 4fache Dosis, was eigentlich immer noch wenig ist. Die im Beipackzettel und auch im Internet beschriebenen 4g pro Tag werden mit den jetzt verschriebenen 2.4g zwar immer noch nicht erreicht, reichen jedoch aus, uns zu beruhigen. Die weitere Behandlung erfolgt wieder bei Dr. Wingeyer im Hospital von Romang, unter Verschweigung des Ausflugs nach Reconquista. Christian bekommt von ihm noch entzündungshemmende Schmerzmedikation, B-Vitamine und Multivitamine verschrieben. Die Konsultation eines Arztes in einem öffentlichen Spital ist in Argentinien kostenlos oder mit nur sehr wenig Kosten verbunden. - Es ist wunderbar, dass wir hier  Gudrun und Manfred aus Berlin wiedersehen, nachdem wir uns in Rada Tilly um zwei Tage verpasst hatten. Wir bleiben in E-Mail-Kontakt und vereinbaren, dass die Beiden auf ihrer Rückreise in Romang vorbeikommen. Leider fällt es gerade in die Zeit, in der Fernando auch hier ist. Da ist es fast unmöglich, uns aufzuteilen. Aber zum Glück können wir noch einen Tag gemeinsam verbringen. Zum Abendessen gibt es gefüllte Zapatillos (kleine Kürbisse), die wir schon vor einem Jahr, in Panambi in Misiones, zusammen kochen wollten. Dies war damals aus Ermangelung der Zapatillos aber nicht möglich. An einem vorangehenden Abend werden die Beiden auch zum Abendessen mit Fernando und seinen Freunden eingeladen. Beim  Abschied ist sicher, dass wir uns wiedersehen werden, in Südamerika, in Berlin oder in der Schweiz. Darauf freuen wir uns schon.

Leider erfolglos

Mitternächtliches Eis auf der Plaza

Manfred und Gudrun in Romang
Romang und seine Geschichte:
Das 8000 Seelen-Dorf empfängt seine Besucher mit einer grossen Skulptur am Dorfeingang, die eine Person mit offenem Herzen darstellt. Romang macht einen sauberen und gepflegten Eindruck. Hier gibt es einige gute Läden, Restaurants, eine gute Eisbar und sogar eine Bank. Des Weiteren findet man einen sehr schönen Campingplatz am Fluss, zwei Sportclubanlagen und die Schweizer Vereinigung. -  Dieses Dorf wurde 1873 von Schweizern gegründet und viele Einwohner hier tragen noch immer typische schweizer Nachnamen, die daran erinnern: Bieri, Ramseyer, Wingeyer, Mosimann, Äschlimann, Dreher, Sager u.s.w. Doch nur noch wenige der Älteren im Dorf sprechen deutsch oder schweizerdeutsch. Auf der Plaza erinnert ein Denkmal an die ersten Siedler. Daneben steht auch das ehemalige Wohnhaus des Dorf-Gründers  Dr. Teofilo Romang. Zur Geschichte von Teofilo: 1860 verlässt Peter Wingeyer Trubschachen und das Emmental, um nach Argentinien auszuwandern und ein neues Leben zu beginnen. Er hatte versucht, seine Schulden aus der Mündelkasse der Gemeinde zu bezahlen und sich so strafbar gemacht. Er lässt Frau und Kinder in bitterer Armut und mit vielen Schulden zurück.  Auf dem Schiff nach Argentinien verstirbt der schweizer Arzt Dr. Teofilo Romang während der Überfahrt. Peter kauft die Ausweis-Papiere der Witwe Romang ab und reist mit neuem Namen und Titel in Argentinien ein. Zuerst lebt er in Buenos Aires, wo er auch als Arzt praktiziert. Später zieht es ihn weiter in den Norden. Dort, am Rio Paranà, haben sich bereits einige Schweizer niedergelassen und das Dorf Helvetia gegründet. In dem sumpfigen, mückenverseuchten Gebiet hält es ihn jedoch nicht lange. Er zieht 200 km weiter in den Norden und gründet eine neue Siedlung: Romang. Das Geheimnis um Teofilo Romang alias Peter Wingeyer wird gelüftet, als später nachgewanderte Schweizer aus dem Emmental, den Peter Wingeyer erkennen. Trotz allem wird Teofilo alias Peter als Dorfgründer geehrt, weil er wohl viel Gutes vollbracht hat. Die Schweizer Vereinigung organisiert jedes Jahr um den 01. August eine Feier zum Schweizer Nationalfeiertag mit Trachtentänzen und typischem Schweizer  Essen, wie z. B. Sauerkraut.

Auf dem Camping von Romang

Das kleine Dorfmuseum

Die Plaza mit dem Dorfgründer
Argentinische Gastfreundschaft:
Während unseres Aufenthaltes in Romang werden wir von vielen Freunden und Bekannten von Fernando und Valeria zum Essen eingeladen. Viermal geniessen wir ein ausgiebiges argentinisches Asado, einmal sogar mit dem sehr speziellen, aber gut schmeckenden Fleisch von einem Wasserschwein. Einmal gibt es Guiso, einen gehaltvollen Eintopf mit Reis oder Nudeln, Fleisch und etwas Gemüse. Ein anderes Mal gibt es im Topf mit Kartoffeln und Zwiebeln geschmortes Huhn, dazu werden Nudeln gereicht. Wir gehen mit Freunden Billard spielen, am Fluss angeln, Tortas fritas, Pizza und Eis essen und beteiligen uns an diversen Mate-Runden. Fernando und Valeria versuchen, für uns einen Bootsausflug zu den Inseln im Fluss zu organisieren. Leider klappt das nicht; entweder regnet es oder es kommt immer wieder was dazwischen. - Unserer eigentliche Gastgeber kann sich leider nur 2einhalb Tage frei machen. Er hat 600 km weiter im Norden, in der Provinz Formosa im Chaco Land und Haus gekauft, beides in schlechtem Zustand. Er möchte bis Ende des Monats alles soweit in Schuss haben, dass er umziehen kann. – Von Marcelo, in La Plata erhalten wir die Nachricht, dass seine Bienen im Norden schlecht Honig gesammelt haben. Genauso ist es mit den Bienen Fernandos. 400 seiner 600 Bienenvölker werden dieses Jahr praktisch keinen Honig liefern. Auf seinem Grundstück im Chaco will Fernando deshalb auch Kürbisse produzieren. Die gemeinsame Zeit mit Fernando vergeht sehr schnell. Wir besuchen zusammen Gudrun und Manfred auf dem Campingplatz und einen Cousin von Fernando, der einen kleinen Bauernhof hat und mit dem Anbau von Kürbissen, Maniok sowie mit zwei Hühner-Batterien mit 1800 Legehennen den Lebensunterhalt erwirtschaftet. Wir besichtigen eine Autowerkstatt und eine kleine Schiffswerft, die sich auf kleine Flussschiffe spezialisiert hat. Die Besitzer der Autowerkstatt, die Gebrüder Dreher, machen uns mit ihrer Mutter und ihrer Tante bekannt. Die Eltern der Schwestern, beide an die 90 Jahre alt, sind Ende des 19.Jhs. aus der Schweiz ausgewandert. Beide sprechen noch etwas schweizerdeutsch und es war sehr interessant, mit ihnen bei Kaffee und Snacks ein wenig zu erzählen. - Fernando ist ebenfalls sehr reiselustig. Mit seinem Motorrad hat er schon ganz Argentinien, sowie Teile von Chile und Bolivien bereist. Seine kleine Wohnung ist voll mit Reiseandenken. Wenn er die Möglichkeit hätte, würde er wohl die ganze Welt bereisen. Durch seine Reiselust, aber auch durch seine Wissbegierde, Offenheit und Herzlichkeit, findet Fernando oft guten Kontakt zu Reisenden aus anderen Ländern. Den zweiten Tag von Fernandos Anwesenheit regnet es leider; somit fällt ein weiterer Flussfahrt-Termin ins Wasser. Wir schauen mit Fernando und Valeria Reisefotos an und planen unsere Weiterreise. Wir schenken  Fernando unseren bis dato nicht gebrauchten Reserve Benzinkocher. Zum Abschluss des Tages gehen wir Pizza essen. – In den Tagen von Christians Erkrankung schreiben wir eine E- Mail an die Familie von Fernandos Schwester Rosita in Dina Huapi, Bariloche, um über unsere Zeit in Romang zu berichten. Da Fernando wieder weit weg ist, kümmert sich Rosita aus der Ferne um uns und kontaktiert eine Cousine hier in Romang, damit diese nach uns schauen kann. So lernen wir Inés Grämiger und ihre Freundinnen Carmen Ramseyer und Mabell Bieri- Ramseyer kennen. Die drei Damen laden uns zum Mittagessen ein und später besichtigen wir mit Carmen und Inés das kleine Dorfmuseum, in dem einiges aus der Gründungszeit von Romang  ausgestellt ist. Die Pionierzeit wird durch die Erzählungen der zwei Damen lebendig, weil viele Exponate aus dem Besitz ihrer Grosseltern stammen und die Geschichten rundherum noch nicht vergessen sind. Das Hamburger Auswanderermuseum findet hier quasi seine Fortsetzung. Am nächsten Abend sind wir bei Yenie Eichenberger, einer 78 jährigen, lieben und sehr hilfsbereiten, noch praktizierenden Apothekerin zu Empanadas eingeladen. Aus Rücksicht auf die Essenszeiten der „Schweizer“ ist das Abendessen extra früh angesetzt. Sie erzählt uns, dass die Medikamente in Argentinien sehr teuer sind und sie, für die ärmere Bevölkerung, Heilmittel auf natürlicher Basis herstellt. Sie sucht Pflanzen, die die benötigten Wirkstoffe enthalten, extrahiert das Benötigte, stellt so Medikamente selber her und verkauft diese zum Selbstkostenpreis, wobei die Arbeit praktisch nicht gerechnet wird. Für Christian fertigt sie extra eine Creme mit einem Chili-Extrakt gegen die stechenden Kopfschmerzen an. Yenie erzählt uns auch von ihrer deutschen Grossmutter aus Lörrach, die dazumal mit ihrem Schweizer Mann auf einem Segelschiff nach Chile auswanderte. Dort traf sie nach den ersten 5 Jahren ein schweres Erdbeben bei dem sie alles verloren. So machten sie sich mit ihren Kindern und mit Mulis auf den Weg über die Anden, um in Argentinien, in Mendoza, wieder neu anzufangen. Später erfuhren sie von den Möglichkeiten, im Norden Argentiniens, Geld mit dem Anbau von Baumwolle zu verdienen. Und wieder machte sich die Familie auf den Weg. Doch das Schicksal trieb den Familienvater von 8 Kindern in den Suizid, weil nämlich die Wanderheuschrecken in drei aufeinanderfolgenden Jahren alles razekahl abfrassen. Yenies Grossmutter blieb in der Fremde allein mit acht Kindern zurück… - In diesen Tagen lernen wir auch den ca. 35 jährigen Musiklehrer Alberto kennen, der nach einem Studentenaustausch mit der Schweiz die deutsche Sprache erlernte und mit uns sein deutsch praktiziert. Auch von ihm werden wir zum Essen eingeladen, finden aber keine passende Zeit, denn wir wollen nächstens weiterreisen und haben bis dahin noch einiges zu erledigen. Möchten wir alle Einladungen und die daraus resultierenden Folgeeinladungen annehmen, müssten wir uns für eine noch längere Zeit in Romang niederlassen. Die argentinische Gastfreundschaft ist wirklich beeindruckend! Den letzten Abend verbringen wir mit Valeria, Ramiro, Loly und Lorenzo und laden sie zum Essen ein. Sie haben sich viel Zeit für uns genommen und speziell Valeria war immer da, wenn wir Unterstützung brauchten.


Bei einem Cousin von Fernando

Bei Yenie, der Apothekerin

Auf der Terrasse der Pizzeria

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