Von Huanuco nach Huaraz



Dienstag, 27.8.2013
Napoleon, der nette Jurist, der zurzeit Urlaub hat, ist sogar überpünktlich um 14.40 Uhr bei unserem Hotel. Zuerst gehen wir noch kurz der Familie seines Schwagers einen Besuch abstatten. Danach tätigen wir noch ein, zwei Einkäufe: verschiedene Sorten Brötchen und Empanadas, sowie süsses Spritzgebäck für den gemeinsamen Abend in seinem Haus, welches sich weit ausserhalb der Stadt in einem kleinen Dorf namens Santa Maria del Valle befindet. Dorthin fahren wir mit einem Collectivo (Sammeltaxi), denn Napoleon und seine Frau Gudelia besitzen kein eigenes Fahrzeug. Im Reich der Beiden angekommen, zeigt er uns die Räumlichkeiten, alle Ziergegenstände, sowie jede Pflanze in ihrem Garten. Sie besitzen das Grundstück seit ca. 5 Jahren und haben sich bereits viel erschaffen. Aber sie werden noch viele Jahre zu tun haben, bis vielleicht mal alles so sein wird, wie sie es sich vorstellen und wünschen. Gegen 17:30 Uhr kommt Napoleons Frau von der Arbeit nach Hause. Jetzt ist gemeinsame Kaffee-, Brötchen- und Spritzgebäck-Zeit. Gudelia ist Mathematiklehrerin an der grössten Sekundarschule in Huanuco. Sie erzählt uns, dass es pro Klassenstufe 16 Klassen mit je 40 Schülern gibt. Das sind für uns eindrückliche Zahlen! So viele Kinder gibt es bei uns in Mitteleuropa längst nicht mehr. Das Monatsgehalt einer Sekundarschullehrerin beträgt hier umgerechnet ungefähr 450 Dollar im Monat.
Napoleon arbeitet in Cerro de Pasco als Jurist für die Minenarbeiter und überwacht die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften. Gegen 19.30 Uhr begleiten uns die Beiden in einem Collectivo zurück bis zu unserem Hotel. Wir verabschieden uns herzlich. Es war sehr schön, Napoleon und Gudelia kennen zu lernen.

Haus und Garten von Napoleon und Gudelia
Mittwoch, 28.08.2013
Heute machen wir unsere Rückreise in die alte Welt dingfest. Um den 10.03.2014 werden wir mit einem Containerschiff von Cartagena in Kolumbien nach Rotterdam in Holland schippern, mit diversen Stopps in der Karibik. – Gegen Mittag trudelt Napoleon nochmals bei uns ein, um die gestern von uns vergessenen Zuckerrohrstangen, die er für uns in seinem Garten geschlagen hat, vorbeizubringen. Gegen 15.00 Uhr, nach seinem Zahnarzttermin, kommt er wieder zu uns. Wir laden ihn in einer Pasteleria zu Kaffee und Kuchen ein. Später stösst auch Gudelia zu uns. Nach einem gemütlichen und unterhaltsamen Nachmittag verabschieden wir uns endgültig von den Beiden. Anschliessend geht Christian zum Zahnarzt Nummer 11 zur Nachkontrolle. Dieses Mal meint auch er, die Wunde heilt langsam aber sicher zu. Er empfiehlt, das Penicillin und den Entzündungshemmer noch drei Tage länger einzunehmen, als bisher von ihm verordnet.

Napoleon und Gudelia
Donnerstag, 29.08.2013
Heute ziehen wir weiter. Kurz hinter der Stadt geht es zur Sache, denn es warten mal wieder 2000 Höhenmeter darauf, von uns bewältigt zu werden. Die Strasse schraubt sich entlang des Rio Mito mit teils kräftigen Anstiegen in die Höhe. Im Dorf Huancapallac machen wir einen Mittagshalt bei Nudelsuppe, Guiso de Cordero = viel Reis, wenig Gemüse und einem Stück gekochtem Schaffleisch. Gut gestärkt schwingen wir uns wieder auf unsere Drahtesel und weiter geht es bergauf. Trotz guter Stärkung empfindet Katja die Hochradelei heute ziemlich anstrengend. Kein Wunder, denn es stellt sich heraus, dass wir heute 45 km und 1816 Höhenmeter gestrampelt sind. Und das mit unseren gut beladenen Rädern! In Pampas erfragen wir uns eine Unterkunftsmöglichkeit, denn es ist sehr schwer, einen Campingplatz zu finden, da es neben der Strasse entweder steil bergab oder steil bergauf geht. Und wenn es mal nicht irgendwie steil ist, hat es Häuser oder Felder. Katja schaut sich die „Hospedaje“ an: es gibt einen Raum mit einer Pritsche, die für uns beide langen muss; des Weiteren müssten wir den Raum mit Getreide, einem Berg Klamotten und einem grossen abgenagten Knochen teilen; die Toilette befindet sich in einem anderen Winkel des schmutzigen Hofes. Also, das nur im allergrössten Notfall! Doch bestimmt gibt es in diesem Dorf auch ein “Puesto de Salud“ = Gesundheitsstation. So ist es auch, und wir dürfen sogar im Zimmer des Dorfdoktors nächtigen, haben unsere eigene Toilette und fliessendes Wasser, was mal funktioniert und mal auch nicht. Aber es ist hier tausend Mal besser als in besagter “Hospedaje“. Da haben wir wieder einmal Glück gehabt.

Nicht nur am Haus, auch am Strassenrand werden Esswaren getrocknet
Freitag, 30.08.2013
Um 8.00 Uhr sollen wir die Gesundheitsstation verlassen. Das machen wir auch, aber es ist weit und breit keine Krankenschwester oder Arzt in Sicht, denen wir unsere kleine Spende überreichen können. Also schreiben wir einen kurzen Dankesgruss  und legen 30 Soles dazu. Zurück auf der Strasse geht diese leider noch immer nicht bergab. Ca. 500 Höhenmeter warten noch auf uns. Irgendwann sind aber auch diese geschafft und wir haben 4000müM erreicht. Hui, jetzt dürfen wir bergab rauschen. Es geht vorbei an der berühmten Corona del Inka= Inkakrone, einem Felsen, der tatsächlich wie eine Krone aussieht, durch  Llichllatambo, in dem, wie in ganz Peru heute Santa Rosa gefeiert wird. Wir geniessen die wunderbare Sicht auf die leuchtenden Schneeberge der Cordillera Huayhuash. Am Rio San Juan machen wir Mittagspause und Christian zentriert sein Hinterrad, das enorm hin und her schlenkert. In dieser Zeit trifft ein radelndes Pärchen aus Belgien bei uns ein, Jerome und Syndi. Jetzt geht es wieder ein Stück den Berg hinauf, bevor es bis auf 3000 müM in einem anderen Flusstal bis nach Tingo Chico geht. Dort finden wir vier eine sehr einfache Unterkunft nach dem Motto: manchmal ist Zelten eindeutig viel besser! Nun ja, davon rät uns die Polizei heute ab, da es nach dem Festtag viele Betrunkene haben könnte. Christian checkt am Abend sein Hinterrad genau und muss einen Felgenbruch durch und durch feststellen. So ein Mist!

Corona del Inka
Samstag, 31.08.2013
Bis ins 30 km entfernte La Union will Christian trotzdem noch versuchen zu radeln, denn dort soll die Möglichkeit bestehen, eine neue Felge kaufen zu können. Unterwegs gibt es immer wieder herrliche Ausblicke auf das wunderschöne Flusstal mit den terrassenartig angelegten Feldern. Gegen Mittag sind wir im besagten Ort, nehmen eine Unterkunft, gehen Mittagessen und anschliessend beginnt das Projekt Felgenkauf: Die einzige verfügbare Felge mit 32 Löchern kaufen wir natürlich, nachdem sie aus einem Nachbardorf hergebracht wurde. Sie ist sehr schmal, aus Alu und hat keine Stahlösen bei den Speichenlöchern. Doch wir hoffen schwer, dass sie bis Huaraz,  halten wird. Christian speicht die neue Felge direkt beim Laden ein, wo er auch das benötigte Werkzeug nutzen kann. Dabei hat er so einige interessierte und wissbegierige Zuschauer.

Jeder Handgriff des Gringos wird kommentiert
Sonntag, 1.9.2013
La Union befindet sich auf 3200 müM und die nächste Passhöhe auf unserer Route auf 4850 müM. Also los, Zeit ist Geld! Erst einmal geht es mehr oder weniger bergauf durch ein schönes Tal bis nach Huallanca. Dort kaufen wir noch benötigte Lebensmittel ein und gehen Mittagessen. Danach windet sich die Strasse mehr bergan, vorbei an der japanischen Uranmine in Huanzala bis auf ca. 4150 müM, wo die Belgier und wir um 16.00 Uhr einen recht guten Platz zum Zelten finden. Zum Glück sind wir heute früh dran, denn wenig später braut sich ein Gewitter zusammen und es blitzt, donnert, hagelt und regnet für die nächsten 4 Stunden. Ach, wie gemütlich ist es doch in unserem Hüsli!

Kommt das Gewitter oder kommt es nicht?
Montag, 2.9.2013
Heute Morgen strahlt die Sonne wieder und taut die Belgier und unsere Zelte wieder auf. Wir sind fit für die noch fehlenden Höhenmeter. In Serpentinen windet sich die Strasse in Richtung Passhöhe. Gegen Mittag erreichen wir den Abra Yanashalla auf 4720 müM. Hier zweigt unsere Schotterpiste durch den Nationalpark Huascaran in Richtung Huaraz ab. Atemberaubend ist der Blick einige Kilometer weiter auf 4890 müM. Was für eine fantastische Bergwelt uns doch umgibt, einfach unglaublich schön! Hier machen wir Mittagsrast. Laut Aussagen von Einheimischen in Huallanca sollte es nach dem Abzweig nur noch 1 km bergauf gehen und dann alles bergab bis Huaraz. Ha, ha, davon ist erst einmal noch nicht`s in Sicht. Nach jeder Abfahrt kommt ein neuer Anstieg und für heute bleibt das auch so. Aber die herrliche Landschaft aus Bergen, Gletschern und Bächen entschädigt uns für all die Mühen. Gegen 15.30 Uhr haben wir genug für heute. Neben einem Bächlein, aus dem wir auch Wasser filtern können, bauen wir unser Zelt auf und geniessen die ruhige und friedliche Atmosphäre dieser abgeschiedenen Welt in einer Höhe von 4700 müM.

Passhöhe Huascaran 4890 müM.
Dienstag, 3.9.2013
In der Nacht ist es trotz der Höhe gar nicht mal so kalt geworden; nur -5°C. Es ist wieder ein herrlicher wolkenloser Morgen und die Sonne erwärmt uns schon bald. Wir nehmen die letzten Höhenmeter in Angriff, wobei uns die dünne Höhenluft oft dazu zwingt, die wundervolle Landschaft zu geniessen. Dann geht es doch tatsächlich bergab! Doch für uns nur langsam. Denn die Piste ist schlecht und wir holpern über grosse Steine und zum Teil in tiefem Schotter. Weiter unten gibt es auch wieder die majestätischen Puya Raimondi-Pflanzen. Dieses Mal können wir sogar einige in voller Blüte sehen. Wie schön! Unser Mittags Picknick halten wir bei einer sprudelnden Mineralwasserquelle kurz vor Carpa, der Rangerstation des Nationalparkes, mit eindrucksvoller Sicht auf einen Schneeberg. - Dann ist auch schon bald die Nationalparkgrenze erreicht und es ist nicht mehr weit bis zur Hauptstrasse in Richtung Huaraz. Es sind noch knapp 50 km bis dorthin und es ist schon 15 Uhr: Also los! Mit viel Gegenwind geht es hauptsächlich bergab. Die wenigen kurzen Gegenanstiege bremsen uns immer wieder aus. Zwei Stunden später haben wir es geschafft und finden einmal mehr dank dem GPS die von mehreren Radlern empfohlene Adresse: Jo`s Place, ein Hostal mit schönem Garten. Nach einer wohltuenden Dusche und auf der Suche eines Restaurants treffen wir Cass aus England, der seit 2009 von Alaska in Richtung Süden, ebenfalls mit dem Fahrrad unterwegs ist. Zwischenzeitlich hat er ein Jahr in den USA gearbeitet, um sich für die Weiterreise Geld zu verdienen. Wir gehen mit ihm gemeinsam essen und es gibt dabei natürlich viel zu erzählen.

Puyas Raimondi im Nationalpark Huascaran

Im Nationalpark Huascaran
Mittwoch, 4.9.2013
Cass zeigt uns einen Fahrradladen, wo wir eine stabile und breite Felge und einen Fahrradmantel kaufen. Anschliessend macht sich Christian an die Arbeit. Da die Felge etwas höher ist, sind die Speichen zu lang. Dank dem langen Gewinde am Speichenende ist es trotzdem möglich, das Rad zu zentrieren. Katjas Kette wird gewechselt und die unverzichtbaren Rückspiegel wieder geflickt. Unterdessen schreibt Katja an unserem Blog und sendet mit dem mehr oder weniger zuverlässigen WiFi viele E-Mails. Wir erkunden ein wenig die Stadt und finden auf dem Markt keinen Stand, der uns den gewünschten Fruchtsalat zubereitet. Nach dem feinen gemeinsamen Abendessen mit Cass im „El Fogon“, zeigt er uns eine gute Bäckerei, einen Supermarkt und die Würstchenbude eines Österreichers. Beim Vorbeigehen bietet uns der Besitzer in einwandfreiem „Züridütsch“ Cervelat und Bratwurst an. Im Gespräch, von dem Cass kein Wort versteht, erfahren wir, dass er vor 26 Jahren, hauptsächlich zum Bergsteigen aus der Schweiz ausgewandert ist. Also gar kein Österreicher!

Plaza in Huaraz
Donnerstag, 5.9.2013
Heute wollen wir uns für den Blog Zeit nehmen und die Reiserücktrittversicherung für die Frachtschiffheimreise abschliessen. Daneben stehen noch die üblichen Vorbereitungsarbeiten für die morgige Weiterfahrt an. Am Abend gehen wir beim Schweizer Wurststand vorbei und anschliessend noch mit Cass im „La Brasa Roja“ essen.

Parilla im "El Fogon" mit Cass

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