Von Reconquista nach San Ramón de la Nueva Orán



Freitag, 5.4.2013
Obwohl sich Christian nicht sonderlich fit fühlt, wollen wir endlich WEITER. Die Ruta 11 zeigt sich versöhnlich und geleitet uns mit Rückenwind eher verkehrsarm durch flaches, grünes Land, wo Baumwollfelder und Zuckerrohr den guten Asphalt säumen. Nach 85 km erreichen wir das Dorf Villa Ocampo, wo sich die Zeltplätze am 10 km entfernten Fluss „Paraná Mini“ befinden. Der Camping „Don Antonio“ wird uns zu Recht als gut empfohlen. Während dem Zubereiten unseres Abendessens kommen immer mehr Leute auf den abgelegenen Platz, um Mate zu trinken, oder von Bootsausflügen zurück. Unter ihnen ist auch ein Journalist, der uns sehr freundlich in Beschlag nimmt. Wir geben gerne Auskunft und er macht uns mit allen Anwesenden bekannt und lädt uns fürs morgige Abendessen ein. Der Restaurantbesitzer des Campings bietet mit seinem Motorboot auch  fünfstündige Ausflüge im Flusslabyrinth an. Für 500 Pesos (77 Euronen) buchen wir einen solchen.




Auf Bootstour "Klein Paraná




Auf Bootstour "Klein Paraná
Samstag, 6.4.2013
Wir haben ausgemacht, dass wir um 9:00 Uhr losfahren möchten. Pünktlich, 8:55, wartet das Boot auf uns. Knatter, knatter, geht es los. Der neue Yamaha Aussenborder tönt gut und befördert uns in Richtung Affenkolonie. Leider lässt sich nur kurz ein einziges Exemplar blicken. Von den angeblich zahlreich vorhandenen Wasserschweinen sehen wir allerdings keins. Kein Wunder bei dem Bootsverkehr; kommt noch dazu, dass die Tiere auch von Booten aus gejagt werden. „Wenn ihr wollt, können wir auch noch ein wenig angeln“, meint der freundliche Kapitän. Er hätte alles dabei: Köder, Ruten und Rollen. An verschiedenen Orten, wo der Fluss besonders tief ist, versuchen wir in der trüb-braunen Brühe unser Glück. Als Köder werden kleine Fische auf die riesigen Hacken mit Stahlvorfach aufgespiesst. Nachdem an verschiedenen Stellen nichts war, ruckelt es an der hingelegten Rute von Katja und sie zieht ein ca. 20cm langes Piranha aus dem Wasser. Unser Chef wirft den Killerfisch einfach an Land, wo sich sofort ein Greifvogel für das zappelnde Opfer interessiert. Solange das arme Geschöpf aber noch zappelt, traut sich der Vogel wohlweislich nicht so richtig ran. Andere Fische bekommen wir auf unserer Tour nicht an unsere Haken. Dafür entschädigt uns die wunderbare Natur. Zum krönenden Abschluss springt uns in voller Fahrt eine grosse Dorade quer über das Boot. Um ein Haar hätten wir doch noch „Pescado“ nach Hause gebracht. – Nach der Tour packen wir zusammen um in das Dorf zu fahren. Bei unserem Gastgeber stellen wir das Zelt im gepflegten und artenreichen Garten auf. „Heute gibt es Ravioli an Sauce mit Rindfleisch. Wenn ihr wollt, könnt ihr  morgen Mittag auch zum Asado bleiben.“ Nach der schlechten Erfahrung in Reconquista tut uns die herzliche Gastfreundschaft richtig gut! Während Katja duscht, fährt Christian mit auf Einkaufstour. Nach kurzer Fahrt und erfolglosem Versuch ein bestimmtes Fleischstück zu kaufen, sieht der Sohn des Gastgebers weit vorne die Ambulanz fahren. Raul, unser Gastgeber und „Journalist“ gibt Vollgas und nimmt die Verfolgung auf, bei der er sehr gefährlich und rücksichtslos nur knapp nicht Verursacher von mehreren Unfällen wird. Mit der Fotokamera im Anschlag verlässt er am Unfallort das Auto und knipst wie wild um sich. Den schlimmen Zusammenstoss seines Mopeds mit einem Auto, überlebt der Fahrer nur dank dem Tragen eines Helms, was hier fast die Ausnahme ist. Christian wundert sich, dass der Unfallort nicht abgesperrt wird und die Schaulustigen freien Zutritt haben. Die Journalistische Tätigkeit unseres Gastgebers ist rein privater Natur. Er betreibt eine Webseite mit News und Aktualitäten und ist eigentlich ein pensionierter Lehrer.

Bei Raul und Carina
Sonntag, 7.4.2013
Wie schon gestern gesagt, bleiben wir nicht bei Raul zum Sonntags und Geburtstags-Asado, seiner um 30 Jahre jüngeren Frau Carina, sondern es zieht uns weiter. Auch beginnen wir zu rechnen, wie lange wir noch in Argentinien bleiben dürfen, bevor unsere 3 monatige Aufenthaltsdauer wieder abläuft… - Es ist und bleibt heiss, ab Mittag klettert das Thermometer über 30°C im Schatten. Auf dem Gelände der Polizei von Basail, neben vielen Schrottautos, die aufeinandergetürmt im hohen Gras stehen, campen wir auf schön gemähtem Grün neben einem Unterstand mit Tisch und Grill.

Montag, 8.4.2013
Auf der 63 km langen Strecke nach Resistencia passieren wir die uns bekannte Sumpflandschaft des Chaco, mit Palmenbestand, hohem Gras und vielen verschiedenen Vögeln. Mitte Nachmittag landen wir auf dem eingezäunten Camping Municipal, mit dürftigen Sanitäranlagen, aber vielen Schattenplätzen für Campingmobile. Wir campen im Schatten, auch ohne Mobil.

Dienstag, 9.4.2013
Leider ändert sich die Landschaft ab Resistencia und wir durchradeln viele grosse Felder mit Soja, Mais und Baumwolle. Nach 109 km machen wir bei der Tankstelle von Presidencia de la Plaza Schluss und stellen nach dem Wegräumen von viel Müll, hinter dem grossen Lastwagenparkplatz, unser Zelt auf. Die Benützung der sauberen Duschen kostet für 10 min. Warmwasser 5 Pesos (80 €-Cent)

Mittwoch, 10.4.2013
Weiter geht es auf schnurgerader Strasse durch die eintönige Landschaft. Es ist heiss und die 700 vor uns liegenden Kilometer lassen uns bei jedem vorbeifahrenden Lastwagen oder Pickup die Daumen raushalten. Um die Mittagszeit erbarmt sich ein Pickup-Fahrer und lädt uns für fast 30 km auf. Immerhin! Radelnderweise versuchen wir weiterhin mitgenommen zu werden; erfolglos bis am Abend. Da wir keine einigermassen sichere Alternative haben, campen wir auf dem entsetzlich schmutzigen Gelände der Polizei. So wie auf dem Gelände, schaut es auch drinnen aus. Selbst in den Duschen liegt Müll und „Gammelzeug“ herum. Wir spülen die Schweissrückstände trotzdem ab und hoffen ganz fest, dass es draussen trocken bleibt, damit die weitverbreitete Hundescheisse nicht aufgeweicht wird… eklig!

30 km Vielen Dank
Donnerstag, 11.4.2013
Bei schwülheissem Gegenwind vergeht uns die Lust, fahrenderweise die Daumen hoch zu halten und bei Pampa del Infierno = Steppe der Hölle versuchen wir unser Glück im Schatten stehend. Ein beladener LKW eines Weingutes hat noch Platz für unsere  Ausrüstung, die auf Wein-Tetrapacks zu liegen kommt. Es stört die beiden Chauffeure, die schon 35 Jahre zusammen unterwegs sind, wenig, dass dabei das eine oder andere Pack zerdrückt wird. Leider geht die Fahrt nur 70 km bis nach Pampa de los Guanacos. Es findet sich kein weiterer Wohltäter und wir buchen eine Unterkunft gleich bei der Tankstelle.

So weit das Auge reicht
Freitag, 12.4.2013
Am Morgen gewittert es tüchtig. Wir haben keine Lust, bei dem Wetter weiter zu fahren und bleiben im trostlosen Dorf. Alles ist sehr ärmlich, schmutzig und das Wasser aus dem Hahn ist sichtbar kein Trinkwasser (dafür hat der Kaffee eine sehr kräftige Farbe). Christian versucht  das eigentlich vorhandenseinsollende Internet zu erwischen…. Schlussendlich aber stellt sich heraus, dass die gute Frau ihren Compi mitsamt dem Modem verkauft hat. Allein der Router macht aber kein Internet! Christian bemüht sich, die aufgezeichneten Track Daten so aufzubereiten, dass sie im Internet veröffentlicht werden können… eine harzige Sache. Für Hinweise aus der Leserschaft wäre er dankbar.

Samstag, 13.4.2013
Wir machen um 5:00 Uhr Tagwache, um die Morgenkühle radelnderweise zu nutzen. Das Wetter meint es heute besser. Es ist nicht mehr so heiss und der Wind bläst moderat, aber immerhin von hinten. Durch unspektakuläre Landschaft mit vielen Kohlenmeilern fahren wir die 115 km bis nach Monte Quemado, wo wir keinen adäquaten Campingplatz finden; bei der Polizei fragen wir lieber nicht mehr…. Zum Glück sind hier im Norden die Unterkünfte nicht ganz so teuer wie es im Süden der Fall war.

Holzkohlenproduktion
Sonntag, 14.4.2015
Tagwache ist wieder um 5:00 Uhr. Morgenluft tut gut… Wir vernichten, immer noch auf eine Mitfahrgelegenheit hoffend, 93 km und campen im Nirgendwo, vor einem Nest, das sich Nuestra Señora de Talavera nennt, neben einem Feld einer „Empresa“ = Firma (wahrscheinlich Monsanto und Co (Agrochemie, Gen-Tech…..)), wie sich ein Einheimischer ausdrückt, den wir um Camp-Erlaubnis fragen.

Montag, 15.4.2013
Der Wind hat gedreht, die Hitze wird wieder ein Thema. Die Einheimischen sagen zwar, dass es jetzt, im Herbst, angenehm kühl ist. Im Hochsommer sei es im Schatten über 50°C heiss. Für uns unvorstellbare Lebensbedingungen. – Die Wolken von gestern haben sich über Nacht aufgelöst und wir können die Anden sehen. „Kühles Altiplano, wir kommen“. Nach 73 vernichteten Kilometern machen wir in Joaquin V. Gonzalez in einer Unterkunft Schluss für heute.

Noch im Dunst, aber sichtbar: die Anden
Dienstag, 16.4.2013
Mit dem Sonnenaufgang sind wir auf der Piste und kurbeln und kurbeln… Den Abzweiger von der Ruta Rn16 auf die Ruta Rp30 passieren wir bei angenehmen 14°C. Aber jetzt beginnt es aufzuheizen. Um 10 Uhr kletter das Quecksilber auf 25°C, am Nachmittag ist es wieder 30° und mehr. Es scheint so, als ob die Hügel und Berge uns einzukreisen versuchen. Nur nach Osten bildet die Ebene den Horizont. Nach 97 km, im Ort Apolinario Saravia, auf der Suche nach einem Hotel, werden wir von einer Schar 14..16 jähriger Schüler eingekesselt und ausgefragt. Berührt hat uns ihr Interesse an unserer Reise und unserer Art zu reisen. Zum Schluss mussten natürlich noch diverse Fotos für’s Facebook geschossen werden.

So viele interessierte Zuhörer: bitte nur einer auf's Mal fragen!

Mittwoch, 17.4.2013
Noch morgigere Luft tut noch besser, wir stehen um 4:30 auf und beginnen vor Sonnenaufgang zu fahren. Es ist noch 9°C kühl und wir kommen gut durch den noch schwachen Gegenwind voran. Wie das „noch“ im vorigen Satz schon andeutet, ändert sich nicht nur die Stärke des Gegenwindes, sondern auch die Luft wird heiss und heisser. Agrikultur wechselt sich mit hügeliger Buschlandschaft ab. Wir pedalen und pedalen. Nach dem Mittagshalt und 60 geradelten Kilometern fällt es uns sehr schwer, die Räder aus dem Schatten zu steuern und dem brütenden Asphalt zu folgen. Gegen 15:00 Uhr, nach 70 km, erfragen wir uns Trinkwasser im Ort La Estrella. Hier kommt alle zwei Wochen ein LKW und bringt das kostbare Nass. Freundlicherweise werden alle unsere Trinkflaschen aufgefüllt und wir sind gerüstet, um innerhalb der nächsten Kilometer zu campieren. Da es aber noch recht früh ist, beschliessen wir, bei jedem passenden Ort noch ein wenig weiter zu fahren. Nachdem sich aber bei Katja der böse Wolf bemerkbar zu machen begonnen hat, finden wir keinen passenden Ort mehr. Nach weiteren 20km haben wir beide die Schnauze voll, aber es findet sich kein Zeltplatz. Notgedrungen geht es eher zaghaft weiter bis nach Pichanal. Wir können auf die heute gefahrenen 135 km stolz sein! Die Stadt ist eine Ansammlung grossteils ärmlicher Hütten, es motten vielerorts kleine Kehrichtfeuer und im chaotischen Mopedverkehr finden wir uns nach Einbruch der Dunkelheit kaum zurecht. Entweder sind die wenigen Unterkünfte wirklich ausgebucht oder Radtouristen sind nicht willkommen. Wir bekommen jedenfalls immer zu hören: „Completo, no hay lugar“ = ausgebucht. Beim ersten Nachfragen bei der Nationalen Polizei dürfen wir nicht campen, da dies militärisches Territorium sei. Wir sollen beim Nachbargrundstück, der Strassenbaubehörde fragen. Da um diese Zeit, ca. 20:00 Uhr, da natürlich niemand mehr anzutreffen ist, gehen wir total ratlos wieder zur Gendarmeria. Zum Glück geraten wir dieses Mal an eine andere Amtsperson, die sich an den Vize-Chef wendet. Dieser sieht unsere Not und gestattet uns eine Übernachtung in seinem Reich. Phuuuhh…. noch mal Glück gehabt. Wo hätten wir wohl sonst noch hin müssen, mit 135 km in den Beinen, bei Nacht, den vielen gefährlich wirkenden Gestalten und der ärmlichen Umgebung? Polizei, dein Freund und Helfer. Auf dem zum Glück müll- und fast hundefreien Gelände erhalten wir einen Platz zugewiesen und dürfen auch die zumindest sauberen sanitären Anlagen gebrauchen.

Mal ein anderer Horizont
Donnerstag, 18.4.2013
Nach dem wechseln des Schwalbe-Marathon Hinterreifens bei Christian, der wegen der schmalen Felge und starker seitlicher Belastung kurz über der Felge gerissen ist, verlassen wir unsere Freunde und Helfer und fahren die 25 km auf der für Fahrradfahrer nicht zu empfehlenden Strasse nach San Ramón de la Nueva Orán. Die Strasse ist eher schmal, der Verkehr dicht, und speziell die Lastwagenfahrer sehr rücksichtslos. Zum Schluss wechseln wir auf die neue, sich im Bau befindliche, Verbindung zwischen den beiden Städten. Nach dem gestrigen mehr als 3-fach Marathon ist der Beschluss für Ruhezeit schnell durch die Vernehmlassung und beschlossen. Die viel angenehmere Stadt Nueva Orán bietet sich dazu, geradezu an. Es fehlen noch 50 km bis zur argentinisch – bolivianischen Grenze. Hoffentlich gibt es da weniger Verkehr. Christians Trackbearbeitung  steckt weiterhin in einer Sackgasse, was die Veröffentlichung angeht…. Am Abend möchten wir gerne schön und gut essen gehen… möchten, denn wir finden kein entsprechendes Lokal. Wir landen in einer Sandwichbude: dünne, panierte Schnitzel im Sandwich mit Pommes… auch fein.

Der Innenhof der Unterkunft
Unser Schlag
Freitag, 19.4.2013
Frühstück und Blog schreiben…

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